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Auf nerdcore gibts mal wieder eine Youtube-Perle: Neill Blomkamp über Superzivilisationen und Aliens. Bei Neill Blomkamp handelt es sich um den Regisseur von ‚District 9‘. Er spricht in diesem Video über die Suche nach Aliens und die Frage ob es sie überhaupt gibt.

Er nimmt darin Bezug auf die sogenannte Kardaschow-Skala, die den Entwicklungsstand einer Zivilisation auf der Basis ihrer Fähigkeiten, verfügbare Energien zu nutzen, bestimmt. Stufe 1 ist in der Lage den gesamten Energieeintrag auf einem Planeten zu nutzen, Stufe 2 kann alle Energie eines Zentralgestirns nutzen und Stufe 3 den einer gesamten Galaxie.

Als Leser dutzender sowjetischer Zukunftsromane aus den 50ern und 60ern kommt einem die darunter liegende Denkweise vertraut vor. Eine Gesellschaft ist immer nur so gut, wie sie es schafft die verfügbaren Ressourcen auf alle Mitglieder zu verteilen. Ein knappes Gut wird zu Gewinnstreben führen und damit den Unmensch im Menschen zum Vorschein bringen. Wissenschaft und Technik ist die einzige Möglichkeit immer bessere und effizientere Methoden zu entwickeln, um Rohstoffe und Energie möglichst günstig zu fördern. Ergo waren egoistische Wissenschaftler, die ihre Erkenntnisse nicht mit der Gesellschaft teilen auch eines der immerwiederkehrenden Themen in diesen Romanen.

Mit der Kardaschow-Skala habe ich aber aus anderen Gründen verschiedene Probleme. Zuerst einmal sagt die Fähigkeit eine bestimmte Menge an Energie nutzen zu können, nichts über eine Zivilisation oder gar Intelligenz aus. Würde denn ein Planet, welcher komplett von einem Schleimpilz bevölkert ist, der sämtliche Energieeinträge (Wirkungsgrad mal ignoriert, der ja auch bei einer technischen Lösung nicht 100% sein kann) zur eigenen Versorgung nutzt, von einer Zivilisation von Typ I bewohnt sein?

Mein nächster Zweifel liegt in der Frage, ob denn nicht auch die vorhandene in Materie gebundene Energie hinzugezählt werden müsste. Denn allein Kernspaltung und -fusion allen Materials der Erde könnte für eine kurze Zeit wesentlich mehr Energie liefern als ein Zentralgestirn in der gleichen Zeit zur Verfügung stellt.

Vollkommen absurd finde ich alle Ideen, wie eine Zivilisation zweiten Grades die abgestrahlte Energie eines Zentralgestirns einfangen soll: mit einer Dyson-Sphäre. Eine wie auch immer gestaltete Blase um die Sonne (oder irgendein anderes Zentralgestirn). Unabhängig von der Frage, wie aufwendig es wäre ein solches Konstrukt zu bauen, stellt sich die Frage wie der Rest des Sonnensystems das so finden würde. Denn die äusseren Planeten und Asteroiden wären dann nur noch der Gravitation der Sonne ausgesetzt und nicht mehr ihrem Strahlungsdruck. Mindestens die Orthsche Wolke dürfte empfindlich reagieren. Das sehr fragile System aus Gravitation, Rotation und Druck würde erheblich beeinflusst werden.

Meine Kritik an der Kardaschow-Skala ist jedoch viel grundsätzlicher. Das Modell geht davon aus, dass ein mehr an Informationsverarbeitung ein mehr an Energie benötigen würde. Dabei ist es genau umgekehrt. Je besser die Fähigkeit aus einer Energiedifferenz die notwendige Energie für die Transformation von Informationen zu gewinnen, desto besser wird der Wirkungsgrad bei dieser Transformation. Anfangs steigt der Wirkungsgrad bei der Energiegewinnung. Eine Entwicklung, die wir seit Jahrtausenden beobachten können.

In der Folge steigt allerdings auch der Wirkungsgrad bei der Informations-Transformation. Eine Entwicklung, die wir ebenfalls für die letzten Jahrtausende beobachten können. Alleine die Entwicklung der Differentialgleichung hat sicher einige Megawatt eingespart. Die Turing-Maschine und der Lambda-Kalkül dürften ihrerseits einen erheblichen Beitrag zu der Problematik „Wieviel negative Informations-Entropie kann ich erzeugen und dabei möglichst wenig Energie-Entropie produzieren?“

Man könnte (und hat es vielleicht schon?) ein allgemeines Gesetz von selbstorganisierten Systemen formulieren: Der durchschnittliche Wirkungsgrad bei der Ausnutzung von Energiedifferenzen ist in einem komplexen System zu jedem Zeitpunkt höher, als zu jedem anderen Zeitpunkt während dessen die Komplexität dieses Systems geringer war. Oder kurz: wächst die Komplexität steigen die ‚Gedanken pro verfügbarem Watt‘. Eine Entwicklung, die wir sogar in der IT schon nachvollziehen können.

(Das wäre übrigens eine Verallgemeinerung und Voraussetzung meiner alten These: Jedes beliebig komplexe System strebt nach Selbsterkenntnis.)

Selbst wenn mir die Verfechter der Zivilisationsskala bisher gefolgt sind, werden sie jetzt sicher einwenden, dass es (mindestens begründet mit dem Planckschen Wirkungsquantum) eine kleinste verwertbare Energiedifferenz geben müsse. Und tatsächlich sind sie im Recht. Wenn die Energiedifferenz zweier Bereiche in einem System sich nur noch als ein Quant darstellt kann diese Differenz nicht mehr ausgenutzt werden. Nichtmal dieses eine Quant könnte mehr gehoben werden, da dies nur mit einem Wirkungsgrad von 100% möglich wäre. Was ja nicht geht.

Gesagtes gilt aber nur für ein System in dem wir unsere Zeitmassstäbe ansetzen. Ein denkendes System, welches nicht mehr mittels Neuronen und Synapsen auf der Basis von Proteinen in einer großen Kalziumschüssel arbeitet ist nicht mehr an unseren Zeitbegriff gebunden. Wenn ich als denkende Maschine grade über weniger Energie pro Zeiteinheit verfüge als vorhin, dann denke ich einfach langsamer. Es gibt für mich keine Notwendigkeit, mich in einen bestimmten gesellschaftlichen Zeitrhythmus zu zwängen. Ich werde mit weniger Energie pro Zeiteinheit zu dem gleichen Ergebnis bei meinen Informationstransformationen kommen, wie mit mehr Energie pro Zeiteinheit. Es wird nur eben länger dauern.

Und damit kann ich auch wieder zu Neill Blomkamp und seinen Ausführungen kommen. Denn es bleibt ja noch die Frage, warum wir bisher keine Anzeichen für fremde Intelligenz entdeckt haben. Seti und die Ausschau nach Dyson-Sphären hat bisher keinerlei Erfolg gezeigt. Vor dem Hintergrund der Überlegungen zu einem sich verändernden Verhalten in der Zeit ist dies aber auch kein Wunder. Denn wir suchen dann an der falschen Seite der Skala. Falls sich fremde Intelligenzen überhaupt noch unterhalten und falls dies für sie bei unterschiedlichen Zeitskalen überhaupt noch sinnvoll ist, dann sollten wir nach sehr geringer und nicht nach verhältnismäßig hoher Informationsdichte suchen.

Written by qrios

6. Februar 2010 um 23:17

Veröffentlicht in Aliens, Philosophie

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